Chancengleichheit: Die 20%-Realität der Kreativbranche

Autorin

Heidrun Haug

Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin
2001 gründete Heidrun Haug Storymaker mit dem Ziel, Unternehmen in Erfolgsgeschichten zu verwandeln – unser Anspruch bis heute.
Veröffentlicht:
17.8.2018
Aktualisiert:
27.7.2021

Frauenförderung und -netzwerke haben in unserer Geschäftsstrategie nie eine Rolle gespielt. Dennoch sind wir offenbar stärker weiblich geprägt als die übergroße Mehrheit der Agenturen. Kein Zufall?

In der Kreativbranche ist jede zweite Beschäftigte weiblich. Doch nur ein Fünftel der Führungspositionen in Agenturen sind von Frauen besetzt, in der Filmindustrie noch deutlich weniger. Diese Zahlen, die vor Kurzem von der Cannes-Lions-Delegation aus Baden-Württemberg präsentiert wurden, haben mich überrascht – und erschreckt. Ausgerechnet die Branche, die so modern auftritt, so fortschrittlich und imageprägend ist, und zudem ihren Kunden Diversity-Themen rauf und runter ins Marketing diktiert, hat bei einem sehr alten Emanzipationsthema enormen Nachholbedarf. Zeit, das zu ändern!

Natürlich war ich in den 70ern und 80ern in der Frauenbewegung aktiv und habe mich für mehr Chancengleichheit, Frauenbeauftragte, weibliche Formen in der Sprache, Straßennamen, die an erfolgreiche Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen erinnern, eingesetzt. Ich kenne das Stirnrunzeln von Maschinenbauern, die mir zu Beginn eines Interviews die Frage stellten: „Sie als Frau, verstehen Sie denn …?“ Weil ich keinen (männlichen) Chef mehr haben wollte, der mir deutlich weniger zutraute als ich mir selbst, entschied ich mich zur Gründung meines eigenen Unternehmens.

Ich hatte – und habe – kein Programm, um bei Storymaker Frauen zu fördern. Meines Erachtens genügt ein unverstellter Blick auf die Bewerber. Zwischen 25 und 40, noch keine Kinder – klar, dass die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft naheliegt. Doch das war nie ein Grund für einen Minuspunkt – nicht bei der Einstellung, auch nicht für die Karriere. Kinder gehören zum Leben und damit auch Schwangerschaften.

So kam es, dass Storymaker heute 70 Prozent Frauen als Beschäftigte hat, einige davon in Teilzeit. Manche haben zwei, drei Kinder in ihrer Storymaker-Zeit zur Welt gebracht. Im Managementkreis sitzen fünf Frauen und zwei Männer. In der Geschäftsführung steht es fifty-fifty.

Aus- und Teilzeit ist immer wieder ein Diskussionspunkt, wenn es um die Beschäftigung von Frauen geht. Es ist zu begrüßen, dass heute auch unsere Väter in Elternzeit gehen und sich auf ihre Familienpflichten berufen, wenn Meetings und Überstunden bis in den Abend gehen.

Diese Beachtung privater Interessen tut allen gut. Das Berufsleben ist stressig (geworden). Und der Stress wird nicht abnehmen. Die Vielzahl der Kommunikationskanäle, die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit, Geschwindigkeit und globales Business – das alles fordert viel. Hier Beruf und dort Privates funktioniert spätestens in Führungspositionen nicht mehr. Um so wichtiger ist es, dass wir auf uns und unser Umfeld achten. Eine Mitarbeiterin, die sich für Teilzeitarbeit entscheidet, handelt im Einklang mit ihrer familiären Verantwortung. Meiner Erfahrung nach sind diese Kolleginnen in ihrer Arbeitszeit hoch konzentriert und sehr effektiv. Und die Kunden? Leider gelingt es nur selten, dass sich zwei Teilzeitkräfte ein Projekt teilen, weil die Kindergärten und Schulen in Deutschland noch immer auf Vormittagszeiten fokussieren. Die Agentur trägt dem Rechnung, indem wir Teams entsprechend mischen und zunehmend Tools einsetzen, die jedem Projektmitglied auf einen Blick zeigen wo ein Projekt gerade steht.

Verändern mehr Frauen das Arbeitsleben? Beweisen kann ich das nicht. Aber ich bin sicher, dass Vielfalt ein Gebot der Stunde ist. In der Vielfalt leben und sich wohl fühlen, das Anderssein wertschätzen, sich und andere respektieren – das verändert das Miteinander. Das gilt für Genderthemen genau so wie für Kultur- oder Altersunterschiede. Dass bei uns inzwischen Chinesen und Japaner arbeiten, hat uns genauso bereichert, wie die starke Präsenz von Frauen in Führungspositionen. Als Geschäftsführer müssen wir Wege finden, wie wir jedem Einzelnen die Chancen eröffnen, sich mit individuellen Stärken einzubringen.

Die „Girls‘ Lounge“, die Katja Perthel, Geschäftsführerin der Internet-Agentur Connect in Karlsruhe, in Cannes besucht hat, scheint hier gute Arbeit zu leisten – für Business Women aus der ganzen Welt. Manch große Werbeagentur haben sie wachgerüttelt. Marc Pritchard, Chief Brand Officer von P&G, kündigte kühn an, dass er den Anteil von Frauen auf 50 Prozent heben will. Wir arbeiten derweil weiter an der bunten Welt von Storymaker.

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