(Selbst-) Vertrauenskrise

2020 wird das Jahr der Ethik werden. Kommunikatoren müssen sich darauf einstellen. Allerhöchste Zeit, dass sich die Branche aufrappelt.

Autorin

Heidrun Haug

Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin
2001 gründete Heidrun Haug Storymaker mit dem Ziel, Unternehmen in Erfolgsgeschichten zu verwandeln – unser Anspruch bis heute.
Veröffentlicht:
20.12.2019
Aktualisiert:
13.9.2023

Die Kommunikations-Branche leidet. An geringer Beachtung, Wirkung, Wissen für die Zukunft – und vor allem an sich selbst. So lassen sich die Ergebnisse des European Communication Monitor 2019 (ECM) zusammenfassen, bei dem 2.689 Kommunikationsarbeiter aus 46 Länder über ihre Befindlichkeiten befragt wurden.

  • 77,3% gehen davon aus, dass der Einsatz von KI ihren Job komplett verändern wird, aber kaum ein Kommunikationsteam experimentiert mit intelligenten Systemen
  • sie beklagen, dass – gefühlt, nach eigener Einschätzung – drei Viertel der Bürger, zwei Drittel der Journalisten, jeder zweite Blogger, und immerhin auch ein Drittel der Top-Entscheider ihren Aussagen als professionelle Kommunikationsmanager misstrauen – am meisten vermissen Online- und Brand-Praktiker das Vertrauen
  • auf Platz 2 der strategischen Herausforderungen, die das Leben eines Kommunikators schwer machen, stehen Geschwindigkeit und Masse an Informationen

Als Ausweg aus dem Jammertal wünscht sich eine Mehrheit eine höhere Position in der Unternehmenshierarchie. Vom selbstbewussten „Tue Gutes und rede darüber“, das PR-Vater Albert Oeckl vor 60 Jahren postulierte, scheint nicht mehr viel übrig zu sein. Was ist los in der Kommunikationsbranche? Woher das schlechte Eigenbild, diese mitleidserregende Stimmung?

Vier von fünf Kommunikatoren verstehen KI falsch

„Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“, hat einst Wolf Biermann gesungen. Das könnte der Soundtrack für die den notwendigen Wandel sein. Als Agentur haben wir gar keine andere Wahl – wenn wir neue Entwicklungen nicht voraussehen und integrieren, sind wir weg vom Fenster. Deshalb haben wir dieses Jahr mit dem Institut für Weltethos an der Universität Tübingen eine Initiative für „Responsible Communication“, ethische Unternehmenskommunikation in digitalisierten Zeiten, gestartet und uns zum Weltethos-Ambassador zertifiziert. Sinn, Werte und Kultur sind seit jeher unabdingbare Elemente unseres Story-Konzeptes , das wir seit 18 Jahren anwenden. Doch mit der Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz müssen wir neu denken.

Partner für ethische Kommunikation: Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel, Direktor des Weltethos-Instituts und Heidrun Haug, geschäftsführende Gesellschafterin Storymaker

Wie überall ändern sich auch in der Unternehmenskommunikation die Geschäftsmodelle. Das sollte eigentlich nicht verwundern, sind es doch gerade die Kommunikatoren, die mit der digitalen Transformation in allen Facetten befasst sind, weil sie den Wandel intern wie extern kommunizieren müssen. Doch angesichts wachsender Aufgaben und immer mehr Kanälen, Plattformen und Formaten scheint die eigene Zukunftsfähigkeit auf der Strecke zu bleiben. Verunsicherung macht sich breit. Bei Studien erklären denn auch Kommunikatoren regelmäßig, dass eine integrierte Strategie, Content-Plattformen und die Evaluation der Ergebnisse zu den dringlichsten Aufgaben gehören. Gleichzeitig konstatieren sie, dass es dafür keine Ressourcen gibt und ergo auch keine Projekte geplant sind. Noch schlimmer sieht es bei KI aus: Laut ECM-Umfrage weiß nicht mal ein Fünftel was KI bedeutet.

Anstatt zukunftsorientierte Kommunikation aufzubauen, hauen Unternehmen immer mehr Content raus – in der Hoffnung, so die Aufmerksamkeit der Zielgruppen zu erheischen. Die Zielperson entscheidet im Sekundentakt, ob ein Bild oder eine Botschaft in ihre Wahrnehmung vordringt. Aufmerksamkeit ist ein extrem kurzfristiger Erfolg, der in der Reizüberflutung schnell verklingt.  Deshalb sollten Unternehmen in ihrer Kommunikation auf Anerkennung setzen, rät Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky. Denn aus Anerkennung entsteht Vertrauen – in die Kompetenz, die Kultur und in die Zukunftsfähigkeit. Vor allem: Vertrauen ist nachhaltig – und werden Unternehmen in den Auseinandersetzungen um die Perspektiven unseres Planeten dringend benötigen.

Architekten der Kommunikationskultur

Dieser Paradigmawechsel wird die Kommunikationsbranche beschäftigen:

  • anstatt die Gier nach immer neuen, erregenden Informationen zu befriedigen setzt Unternehmenskommunikation auf fundierten und verlässlichen Content
  • Kommunikatoren übernehmen die Rolle des Architekten einer ethischen Kommunikationskultur, in der Anstand, Respekt, Offenheit kultiviert werden. Sie überzeugen die Unternehmensführer, dass Haltung und Transparenz gefragt sind. Mitarbeiter und die Öffentlichkeit wollen wissen was das Unternehmen für die Gesellschaft tut und verstehen warum welche Entscheidung gefällt wurde.
  • Unternehmenskommunikation lässt sich nicht treiben von Buzzwords und Stimmungen, sondern recherchiert die Fakten, inszeniert und hütet die Identität und mahnt, wenn die Dinge nicht mehr zusammenpassen
  • Kommunikatoren sind offen und neugierig wie intelligente Systeme den eigenen Job verändern, wo sie nützlich sind und beteiligen sich kompetent an Diskussion über Nutzen und Grenzen von KI in der Kommunikationsarbeit.

Kommunikatoren vertreten die Ziele und Interessen ihrer Arbeit- und Auftraggeber. Das ist der Job. Doch wir alle wissen, dass Wirtschaft wesentlich die Welt verändert und gestaltet, im Guten oder im Schlechten. Strategische Entscheidungen werden an anderer Stelle getroffen und nicht alles muss an die große Glocke gehängt werden. Aber eine menschliche Wirtschaft hängt von der Verantwortung jedes Einzelnen ab.

Ob Berater oder Kommunikationsmanager inhouse, PR-Referent, Social Media-Manager oder Marketingleiter – zu einer Wirtschaft, die dem Menschen und einem besseren Leben verpflichtet ist, gehört eine ethische Kommunikation. Der Einfluss von Kommunikatoren dürfte umso größer sein, je besser die individuelle Haltung zur Identität des Unternehmens passt. Dann sollte es 2020 auch wieder um das Vertrauen in die eigene Arbeit besser bestellt sein.

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