Renaissance des Vertrauens

Kompetent und partizipativ kommunizieren

Autorin

Heidrun Haug

Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin
2001 gründete Heidrun Haug Storymaker mit dem Ziel, Unternehmen in Erfolgsgeschichten zu verwandeln – unser Anspruch bis heute.
Veröffentlicht:
30.11.2022
Aktualisiert:
27.9.2023

„#SayYesToTheEndOfTheWorld“ steht auf dem Großflächenplakat, unterhalb des Logo-Schriftzugs von Lufthansa mit dem Kranich-Symbol. Anti-Werbung-Kampagnen gab es schon oft. So schrieb die Journalistin Rebecca Solnit im „Guardian“ 2008, dass die von BP ins Leben gerufene Initiative zur Reduktion des „CO2-Fußabdrucks“ nichts weiter sei als eine heimtückische PR-Propaganda, mit der ein Ölkonzern von seiner Verantwortung für die Klimaschädigung ablenkte. Mit Aktionen wie der von „Brandalism“ gegen Fluglinien werden Unternehmen vermehrt rechnen müssen. Und das fordert KommunikatorInnen, ob inhouse oder bei Agenturen, heraus.

Dahinter steht die Frage, ob Unternehmenskommunikation morgen noch so betrieben werden kann wie in den letzten Jahren. Klassisch betreiben Unternehmen eine sendungsorientierte Kommunikation. Das MarKom-Team formuliert positive Botschaften, kreiert Kampagnen und hofft darauf, dass die Zielgruppen sie empfangen, verstehen – und glauben. Seit verschiedene Studien die Glaubwürdigkeit der Unternehmenskommunikation immer wieder auf einem Tiefpunkt sehen, macht sich Unsicherheit breit, ob diese eingleisige Erfolgskommunikation noch von Erfolg beschieden sein kann.
Parallel zu den Protesten baut die Politik Hürden gegen Greenwashing auf. Grüne Produkte und ökologisch nachhaltige Angebote boomen. Doch oft halten sie nicht das, was das Marketing verspricht. Die EU-Kommission will die Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken um Greenwashing erweitern. Unternehmen sollen einen Nachweis erbringen, wenn sie mit Öko werben.

Das Ende der Success Stories?

Die Gretchenfrage lautet: Wie können Unternehmen und Organisationen das Vertrauen von Mitarbeitenden und Kunden stärken? Ein möglicher Weg führt über die Kommunikationskultur. In der Art und Weise also wie wir einander zuhören, miteinander reden und uns in Diskussionen einmischen, liegt eine große Kraft, die auf Spaltung oder Zusammenhalt wirkt.

Unternehmen können die öffentliche Kommunikation, den Diskussionsstil und die Wirkkraft nicht verändern, schon gar nicht allein. Aber sie können in der eigenen Organisation und in der Kommunikation nach außen ein Vorbild sein für einen anständigen Umgang zwischen den Generationen, den Führungspersonen, den Teams, den einzelnen Mitarbeitenden. Die Kommunikationsverantwortlichen selbst tragen durch Transparenz, Kontext und Dialog zu der Kultur bei.

Die Kommunikationskultur im öffentlichen Raum hat sich in den letzten Jahren spürbar verändert. Noch nie konnten so viele Menschen über Medien ihre Meinung äußern, sich einmischen und beeinflussen. Der öffentliche Diskurs war noch nie so intensiv, aber auch so vergiftet und manipulativ. Digitale Techniken erleichtern das Erkennen von Fake und Hate, generieren aber selbst neue Potenziale für Troll-Attacken und Cyberkriminalität. Dass autoritäre Staaten und libertäre Milliardäre sich der Plattformen bemächtigten, wird die Situation verschärfen – was angesichts unruhiger Zeiten mit multiplen Krisen beunruhigend klingen muss.

Kommunikation im Wandel

Viele Mitarbeitende und Kunden sind heute selbst kommunikativ unterwegs. Auf Social-Media-Plattformen, als YouTuber, Fotograf oder „Bürgerjournalist“. Vielleicht gehören einige zu der Gruppe, die Journalisten der Lügenpresse beschimpfen, Marketing grundsätzlich als Reklame und PR als Manipulation begreifen. Aber es wird auch viele geben, die an einer ehrlichen Kommunikation interessiert sind und sich gerne selbst mit Anstand und Wissen als Bürgerjournalist – oder auch Corporate Influencer – betätigen wollen. Die KommunikatorInnen sollten diese Menschen durch Transparenz und Teilhabe an den Kommunikationsprozessen überzeugen.

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat das Konzept der „redaktionellen Gesellschaft“ entworfen. In mediatisierten Zeiten, so seine Empfehlung, muss Medienkompetenz ein Bildungsauftrag sein. Die BürgerInnen sollen Basiswissen besitzen was Normen und Standards verantwortungsvoller Kommunikation sind, einem Kommunikationsethos folgen, das sich an den Prinzipien von Journalismus orientiert. Lässt sich dieses Konzept auf die Unternehmen übertragen? Ein paar Gedanken, was es bedeuten kann:

1. Wer gut kommunizieren will, braucht Medienkompetenz

Noch nie gab es eine so große Vielfalt an Medien und Information. Dank Internet und sozialen Medien kann sich jede/r artikulieren, am Informations- und Meinungsaustausch beteiligen.

Die Meinung und Haltung der Mitarbeitenden beeinflussen Image und Reputation des Arbeitgebers und das Stimmungsklima in der Organisation. Unternehmen müssen daran interessiert sein, dass ihre Mitarbeitenden unterscheiden können,was Wahrheit oder Fake, Propaganda oder Journalismus ist, wissen wie Medienfunktionieren und wirken, wie man sich mit Anstand und Wissen auf den Plattformen bewegt. 

Im „redaktionellen Unternehmen“ lernen Mitarbeitende Gesetze, Standards und Normen journalistischer Arbeitsweise und können sich zu verantwortungsbewussten Bloggern, YouTubern und Corporate Influencern entwickeln.

2. Verantwortung für qualifizierte Kommunikation lässt sich nicht delegieren

Kommunikation ist ein mächtiges Werkzeug –und ein schwammiger Begriff. Professionelle Kommunikations- und Medienwissenschaftler kennen theoretische Grundlagen und reflektieren praktische Fragestellungen, beherrschen das Geschichtenerzählen und -gestalten und können zwischen Wirklichkeit und Wahrheit unterscheiden. Unternehmen sind längst selbst Medienhäuser geworden; viele Abteilungen erstellen eigenen Content und publizieren diesen. Wer trägt die Verantwortung für Themen und Botschaften, für gesetzeskonformes und ethisches Verhalten?

Es geht nicht um mehr Information fürK unden und Mitarbeitende, sondern um qualifiziertere Kommunikation. Um Kommunikation, die Vertrauen und Zusammengehörigkeit schafft. Dafür ist Professionalisierung notwendig. 

3. Kommunikationskultur der Zukunft: Partizipativ und ambiguin

Comms forms culture. Nichts prägt die Kultur stärker als die Kommunikation. KommunikatorInnen sind Treiber und Hüter der Kultur im Unternehmen. In diversen und komplexen

Mitarbeitende wollen mitreden, sich artikulieren. Das setzt voraus, dass sich die Menschen in den Geschichten mit ihren eigenen Erlebnissen und Erfahrungen wiederfinden. Diese multiplen Perspektiven führen zu einer Vielfalt, die Identifikation fördert. Zugleich bedeuten sie, dass dominante Sichtweisen in Frage gestellt werden und Mehrdeutigkeiten entstehen. Diversität nicht als Statistik, sondern als inhaltliche Aufgabe.

Die große Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist es, Unterschiede zuzulassen und trotzdem Gemeinschaft und Zusammenhalt zu stiften. Nebenbei sorgen sie dafür, dass nicht nur die Lauten eine Bühne haben, sondern befähigen und motivieren die eher leisen und zurückhaltenden Mitarbeitenden, sich beteiligen.

4. Kontext und Klartext schaffen Vertrauen

Führungskräfte und Experten sind häufig in einer „Sender“-Rolle. Ihre Aussagen entscheiden, was verstanden wird und wofür es Verständnis gibt. Ihre sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten müssen gestärkt werden, um komplexe Zusammenhänge, Hinter- und Beweggründe von Entscheidungen zu erklären und offene Diskurse zu führen. Kommunikationspsychologie und Diskussionskultur sind „Must“-Skills, die regelmäßig trainiert werden sollten.

5. Für gute Stories muss man sich quälen

Klassische Unternehmenskommunikation konzentriert sich auf positive Nachrichten und Erfolgsgeschichten. Doch ist das angesichts hoher Komplexität und permanenter Veränderung in hohem Tempo angemessen und glaubwürdig?

Die Unternehmenskommunikation muss Wege finden, wie man in unruhigen und unplanbaren Zeiten Orientierung geben kann.  Der Fokus bei den Themen muss sich verlagern auf Kontext und Relevanz, Erkenntnisse und Hintergrundwissen. Die große Kunst ist es, Komplexität zu vereinfachen, ohne die Fakten zu verbiegen. Dafür müssen KommunikatorInnen Zeit haben, um zu recherchieren, Quellen zu prüfen und Themen fundiert aufzubereiten. Dazu gehört auch die Fähigkeit, über Zukunftsbilder zu sprechen, deren Wirkung erst in Jahren sicht- und spürbar werden.

Öffnen wir damit nicht die Büchse der Pandora, wird sich mancher Kommunikationsmanager fragen. Noch mehr mitreden und kommunizieren. Je größer die Unsicherheit, desto wichtiger ist Vertrauen. Das entsteht nicht durch Algorithmen, sondern durch Menschen. Die eigene Community ist der beste Kritiker, der bei einer wahrhaftigen und nachhaltigen Kommunikation helfen kann. So kann Vertrauen eine neue Renaissance erleben. Das Unternehmen sorgt für Orientierung und wird bestenfalls zur Heimat in unruhigen Zeiten.

Das Programm für ethische Kommunikation

Die ResCom Academy, die auf den Weltethos-Prinzipien basiert und an der Storymaker beteiligt ist, bietet Unternehmen ein Bildungsprogramm an, das Kommunikations- und Medienkompetenz vermittelt wie auch eine an Nachhaltigkeit und Gemeinwohl orientierte Kommunikationskultur fördert. Das Programm unterrichtet Fach- und Führungskräfte in Rede- und Dialogkunst, vermittelt Mitarbeitenden die Wirkungsweise von Kommunikation, Medien und Journalismus und bietet MarKom-Teams Einblicke und Austausch über glaubwürdige Unternehmenskommunikation.

Weitere Artikel zum Thema

Warum wir nicht klimaneutral werden

7 Fallen der Nachhaltigkeitskommunikation: Wie Unternehmen es besser machen können

Fünf Fragen zu Nachhaltig­keitskommunikation

SPRECHEN SIE UNS AN

Wenn Sie oder Ihr Team mehr über das Thema lernen möchten, dann sprechen Sie uns gerne an.