„Wertschätzung will gelernt sein“

Interview mit Diplompsychologen und Coach Martin Heß
Veröffentlicht:
13.4.2018
Aktualisiert:
27.7.2021

Wertschätzung gilt als wesentlicher Faktor in der Unternehmenskultur. Immer mehr Firmen beschäftigen sich mit der Frage, wie sie ihre Führungskräfte optimal dafür sensibilisieren können. Martin Heß ist Diplompsychologe und Verhandlungsexperte mit mehr als fünfundzwanzig Jahren Erfahrung im Training und Coaching von Unternehmern. Storymaker legt großen Wert auf die Fortbildung der Mitarbeiter und arbeitet seit langem mit Martin Heß im Bereich der wertschätzenden Kommunikation zusammen. Was ist also wertschätzende Kommunikation und warum ist sie so wichtig?

Andreas Bergholz: Herr Heß, was passiert, wenn Wertschätzung im Umgang miteinander fehlt?

Martin Heß: Dann treten Störungen auf, vielleicht kommt es sogar zum Konflikt oder zur Trennung der beiden Parteien. Das gilt für den privaten Bereich ebenso wie für das Unternehmensumfeld.

AB: Wie kann ein Unternehmen verhindern, dass es soweit kommt?

MH: Zunächst muss eine Sensibilität für Wertschätzung geschaffen werden. Es gibt immer noch einige Akteure in der Wirtschaft, die das Thema belächeln. Dabei spielt Wertschätzung eine entscheidende Rolle für die Motivation eines Mitarbeiters. Den Wert eines jeden Menschen zu schätzen und diesem selbiges auch klar zu kommunizieren ist wichtig, weil sich ein Mitarbeiter auch nur dann als ein vollwertiger Teil des Unternehmens wahrnehmen kann. Gerade die Führungskräfte eines Unternehmens müssen dafür ein Verständnis bekommen und entsprechend geschult werden.

AB: Was entgegnen Sie Kritikern, die das Thema runterspielen?

MH: Wir Menschen sind Gemeinschaftswesen. Das kommt aus der Evolutionsgeschichte. In der Urzeit konnte der Mensch nur in der Gruppe überleben. Bis heute sucht der Mensch seine Verständigung und Anerkennung innerhalb einer Gruppe. Hat er diesen nicht, fühlt er sich nicht als Teil der Gruppe, vielleicht sogar ausgegrenzt. Dieses Phänomen gibt es im privaten Freundeskreis genauso wie am Arbeitsplatz. Wenn Unternehmen diese Umstände ignorieren, dürfen sie sich nicht wundern, wenn Mitarbeiter die Firma verlassen. So gesehen geht es hier nicht um soziale Romantik, sondern ganz pragmatisch um wirtschaftliche Interessen.

AB: Welche Verantwortung haben Führungskräfte?

MH: Eine sehr große! Denn Sie müssen auf der einen Seite dafür sorgen, dass die Mitarbeiter so viel leisten, dass Zielvorgaben erreicht werden. Gleichzeitig gilt es die Arbeit so zu koordinieren, dass der Einzelne sich nicht überlastet fühlt. Wertschätzung ist damit ein entscheidender Faktor.

AB: Wie schaffen sie die Balance zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung?

MH: Wer Menschen führen möchte, muss die Kunst beherrschen, ein gesundes Gleichgewicht zwischen diesen beiden Idealen zu finden. Es reicht nicht aus, seinem Mitarbeiter ständig zu sagen wie toll und wichtig er ist – auf Dauer wird ein solches Lob unglaubwürdig. Die Wertschätzung muss so viel Respekt zwischen Führung und Mitarbeiter aufbauen, dass man um Inhalte streiten und gegenseitig auch Kritik äußern kann – ohne befürchten zu müssen, dass dadurch die Beziehung zueinander belastet wird.

AB: Was passiert, wenn die Beziehung belastet ist?

MH: Kommunikation ist ein komplexer Vorgang. Wir alle sehen die Welt aus unseren eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen und Wünschen heraus. Dinge können missverstanden oder Zwischentöne falsch gedeutet werden. Manchmal ist es einem einfach nicht bewusst, welchen langfristigen Schaden eine abwertende Bemerkung anrichten kann, wenn man die falschen Signale sendet. So etwas kann absolut demoralisierend sein und dafür sorgen, dass einem die Aufgaben keine Freude mehr bereiten. Demotivation, Konflikte und im schlimmsten Fall die innere oder tatsächliche Kündigung sind die Folgen.

Martin Heß, Diplompsychologe und Verhandlungsexperte mit mehr als fünfundzwanzig Jahren Erfahrung im Training und Coaching von Unternehmern, Managern, Politikern und Anwälten.

AB: Wie kritisiert man richtig?

MH: Führungskräfte machen oft den Fehler, die reine Kritik an der Arbeit mit der jeweiligen Person in Verbindung zu bringen. Dabei muss beides getrennt voneinander gesehen werden: Kritik gehört auf die sachliche Ebene und sollte losgelöst von der Person sein. Deshalb ist die Wertschätzung ja so wichtig: Sie schafft ein grundsätzliches Wohlwollen zwischen Mitarbeiter und Führung, und ermöglicht eine lebendige Diskussion.

AB: Wertschätzung hat also etwas mit Geben und Nehmen zu tun?

MH: Auf jeden Fall. Durch eine wertschätzende Unternehmenskultur und den damit verbundenen konstruktiven Umgang miteinander, werden Arbeitsprozesse vereinfacht. Als Grundlage entstehen Respekt und die Chance, reflektiert über Sachthemen zu diskutieren.  Aus dieser Perspektive ist Wertschätzung auch ein relevanter Faktor für die Diskussionskultur in einem Unternehmen.

AB: Was kann der Einzelne beitragen?

MH: Wertschätzung ist keine Einbahnstraße. In anderen Kulturen ist das oft stark ritualisiert – in Japan etwa durch die gegenseitige Verbeugung. Als Führungskraft steht man meist unter hohem Druck. Da ist es sehr entlastend, wenn man von den Mitarbeitern geschätzt wird und sich in schwierigen Situationen auf diese verlassen kann. Dies gilt genauso für das Verhältnis der Mitarbeiter untereinander.

AB: Lässt sich Wertschätzung lernen?

MH: Ganz klar: Ja. Natürlich bringt der ein oder andere von Haus aus eine stärkere Affinität zum Führen mit als andere. Nur weil jemand ein Experte auf einem Gebiet ist, heißt das nicht, dass die Person auch zum Führen geeignet ist. Wertschätzung will gelernt sein. Wichtig sind dabei Empathie und Sensibilität.

AB: Wie kann man eine wertschätzende Kultur etablieren?  

MH: Da sehe ich vor allem die Personen innerhalb eines Unternehmens in der Pflicht, die Verantwortung tragen. Diese müssen vorbildlich voran gehen. Konkrete Maßnahmen wie das Abfragen der Zufriedenheit der Mitarbeiter können Aufschluss darüber geben, ob sich eine neue Kultur durchgesetzt hat und der Aufwand über die Zeit Früchte trägt. Vor allem aber muss es ernst gemeint sein und darf nicht nur eine lästige Pflichtübung des Marketings sein.

AB: Was ist der Lohn für das Unternehmen und den Einzelnen?

MH: Zufriedene Mitarbeiter, die motiviert und gerne zur Arbeit kommen und ein Arbeitsplatz, der glücklich macht.

Im Video spricht Andreas Bergholz mit Martin Heß noch über weitere Aspekte wertschätzender Kommunikation:

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