Touristen aus dem Reich der digitalen Mitte via WeChat erreichen

Veröffentlicht:
14.5.2018
Aktualisiert:
27.7.2021

Das Interesse der Festlandchinesen an Europa und an Deutschland ist ungebrochen. 2017 besuchten 1,36 Millionen Chinesen die Bundesrepublik. Das sind 13 Prozent mehr als im Vorjahr, Tendenz steigend. Was Chinesen hierzulande von Händlern und Hoteliers erwarten, haben wir unsere Kollegin Shuangwu Wang gefragt. Sie ist Chinesin und arbeitete vor ihrer Zeit bei Storymaker bei Dehua Touristic, einem der größten Reiseveranstalter für Chinesen in Deutschland. Sie weiß genau, wie ihre Landsleute ticken, warum sie Deutschland (noch) für eine digitale Servicewüste halten und weshalb man sie am besten via WeChat erreicht.

Gina Hardebeck: Warum steht Deutschland bei Chinesen als Reiseland so hoch im Kurs?  

Shuangwu Wang: Deutschland wird oft mit Neuschwanstein, Berlin und dem Oktoberfest in Verbindung gebracht. Orte und Events, die für meine Landsleute, zumindest für diejenigen, die zum ersten Mal nach Deutschland reisen, sehr attraktiv sind. Und klar, Fußball und die bekannten deutschen Automarkten tragen ebenfalls zur Beliebtheit Deutschlands bei. Doch mittlerweile hat sich Deutschland auch zu einer beliebten Shopping-Destination gemausert.

GH: Was unterscheidet chinesische Touristen von europäischen?

SW: Traditionell reisen Chinesen in großen Reisegruppen. Doch das ändert sich gerade. Wie die europäischen Urlauber auch, verlassen sie zunehmend die ausgetretenen Reisepfade und gestalten ihre ganz persönliche Route in Kleingruppen, sei es mit der Familie oder mit Freunden. Hierfür suchen sie sich Anregungen im Internet, folgen Tipps von Leuten, denen Sie auf sozialen Kanälen folgen, oder buchen ihre eigenen Tour Guides.

GH: Wie kann man sich das konkret vorstellen?

SW: Oft wird in Deutschland verkannt, wie weit die Digitalisierung in China vorangeschritten ist. Über zwei Drittel der Reisenden buchen ihre Europareisen bereits über das Internet, genauer gesagt über das Handy. Zwar sind Buchungsplattformen wie Booking.com oder Airbnb in China zugänglich, aber die meisten Chinesen nutzen heimische Plattformen wie Ctrip oder Mafengwo. Das heißt, nur Angebote, die auch auf diesen Plattformen eingestellt werden, erreichen chinesische Reisewillige.

Und weil es uns traditionell sehr wichtig ist, was Freunde und Verwandte empfehlen, hat sich das Prinzip der Mundpropaganda ins Netz übertragen. Wir vertrauen sehr stark den Tipps der Influencer oder Key Opinion Leader – was sie gut finden, wollen wir alle sehen oder haben.

GH: Blogger oder Youtuber?

SW: So kann man sie durchaus bezeichnen. Mit dem Unterschied, dass wir ihnen auf WeChat folgen. WeChat ist die Plattform, über die wir sowohl unseren beruflichen als auch privaten Alltag organisieren. Hier recherchieren wir nach Reise-, Einkaufs- oder Restauranttipps, chatten mit Freunden, nehmen Restaurant- und Taxibestellungen vor und noch vieles mehr. WeChat vereint all das, was westliche soziale Plattformen in unterschiedlichen Apps oder Tools anbieten. Da Facebook, YouTube, Twitter und Whatsapp in China nicht verfügbar sind, hat sich WeChat zu einem eigenen Ökosystem entwickeln können. Und hier informieren wir uns im Vorfeld einer Reise über Urlaubsorte, Marken und Mitbringsel.

Shuangwu Wang, Account Executive bei Storymaker, weiß genau, wie ihre Landsleute ticken und warum sie Deutschland (noch) für eine digitale Servicewüste halten.

GH: WeChat als Allzweckmittel zur Ansprache chinesischer Zielgruppen?

SW: WeChat ist keine Allzweckwaffe. Dennoch führt für alle, die chinesische Konsumenten ansprechen wollen, kein Weg daran vorbei. Hier recherchieren, chatten und shoppen wir –  und das täglich bis zu vier Stunden. Für deutsche Händler und Hoteliers ist es daher unverzichtbar, eine Gesamtstrategie zur Ansprache chinesischer Konsumenten zu entwickeln. Ein wichtiger Baustein dieser Strategie sollte WeChat mit all seinen Facetten sein. Denn hier haben sie die Möglichkeit, über Werbung, Storytelling, Promotion und Kampagnen Aufmerksamkeit zu erzielen.

Auch wenn das zunächst einiges an Aufwand bedeutet: es lohnt sich. Die Welttourismusorganisation erwartet, dass im Jahr 2020 ein Viertel aller Europatouristen aus Asien, vor allem aus China kommen wird. Diese kaufstarken Reisenden erwarten mehr als heißes Wasser in Hotelzimmern und chinesische Shop-Assistenten. Sie wollen ihre gewohnten digitalen Services auch im Ausland nutzen.

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