China-Tourismus-Marketing: Vor dem Neustart

Was können wir 2023 erwarten?
Veröffentlicht:
20.4.2023
Aktualisiert:
27.9.2023

Die gute Nachricht ist: Seit dem 6. Februar sind touristische Reisen für Chinesen ins Ausland wieder ohne Einschränkungen möglich. Seit Januar gibt es bereits keine Quarantänepflicht mehr bei der Einreise in China und chinesische Fluggesellschaften erhöhen die Flugfrequenz ihrer internationalen Routen Monat für Monat. Die internationale Tourismus-Branche darf sich also auf die Rückkehr der lang ersehnten chinesischen Touristen freuen. Doch es gibt etliche Hürden.

Weniger erfreulich sind die aktuellen Preise: Internationale Flüge bleiben weiterhin sehr teuer, da das Hochfahren des Flugbetriebs einen enormen Planungsaufwand erfordert. Wer von oder nach China reisen möchte, muss mit mindestens 2.000 Euro für einen einfachen Flug in der Economy-Class rechnen – das Dreifache im Vergleich zu der Vor-Pandemie-Zeit. Das gilt zumindest für die Flüge bis Oktober 2023. Viele Branchen haben unter der Corona-Pandemie gelitten. Zu den Härtefällen zählt zweifelsfrei die Reise- und Tourismusindustrie. Die Schließung der Grenzen und die Quarantänemaßnahmen und -regeln führten weltweit zum Einbruch des Tourismus.

Mehr als 100 Millionen erwartet

Bevor die Covid-Pandemie den globalen Reiseverkehr fast komplett einschränkte, war China der größte touristische Quellmarkt der Welt. 2019 wurden 170 Millionen Ausreisen für internationale Reisen aus China verbucht. Experten schätzen nun, dass dieses Jahr zwar nicht das Niveau von 2019 erreicht wird, aber erwarten bereits wieder bis zu 110 Millionen internationale Ausreisen aus China. Das sind etwa zehnmal so viele wie in den Jahren 2021/2022, als nicht mehr als neun Millionen Chinesen pro Jahr ins Ausland reisten. Prognosen gehen sogar davon aus, dass sich die internationalen Ausreisen aus China bis 2030 auf 228 Millionen verdoppeln.

Zu den Hürden gehören neue Bedingungen für Pässe, Visa und Flugangebote, die seit dem ersten Quartal 2023 beachtet werden müssen. Nachdem China seit dem 8. Januar nicht nur mit der Annahme von Visa-Anträgen von Ausländern, sondern auch wieder mit der Ausstellung von Reisepässen für die eigene Bevölkerung begonnen hat, werden zu Ostern die ersten touristischen Gäste aus China im deutschsprachigen Raum erwartet.

Geschäftsreisende profitieren bereits seit Januar/Februar von den Lockerungen. Ein wichtiger Schritt, da es seit knapp drei Jahren nicht mehr möglich war, Kunden, Lieferanten oder Messen in China zu besuchen. Da das Auswärtige Amt weiterhin eine Reisewarnung für China ausspricht, können sich Geschäftsleute aber noch gegen eine Einreise nach China aussprechen.

Individualtourismus statt Gruppenreisen

Wie auch in Deutschland stieg der Inlandstourimus in China in der Zeit der Pandemie stark an. Zur diesjährigen „Goldenen Woche“ oder am „Singles Day“ verzeichneten Plattformen wie Alibabas „Fliggy“ oder Ctrip gegenüber dem Vorjahr einen mehr als 100-prozentigen Anstieg bei Hotelbuchungen in China. Die neuen inländischen Reiseziele und Aktivitäten signalisieren eine Veränderung im Reiseverhalten der Chinesen.

Doch das Interesse an Auslandsreisen ist ungebrochen, vor allem bei jungen Menschen, die es sich leisten können. Die älteren und erfahrenen Chinesen, die wir aus den letzten Jahren kennen, werden im Verhältnis abnehmen. Die vor Covid dominierenden Busse voller chinesischer Reisegruppen werden voraussichtlich weniger werden, da der Trend sich in Richtung Abenteuer, Natur-Tourismus oder auch Kultur- und Bildungsreisen verschiebt. Im Vordergrund steht nicht mehr nur die Destination, sondern auch die Aktivität.

Über 40 % der chinesischen Touristen werden individuellere Reisepfade suchen. Dabei geht der Trend in Richtung Abenteuer und Natur-Tourismus.

Besonders beliebt werden Individualreisen in ländliche und naturbelassene Regionen. Bereits vor Corona sind 30 bis 40 Prozent der chinesischen Touristen individuell gereist. 2023 werden es laut Studie noch mehr sein, die verstärkt nach Geheimtipps und individuelleren Reisepfaden suchen. Die Individualtouristen besuchen nicht spontan Orte oder Aktivitäten in Deutschland, sondern planen alles vorab und informieren sich über verschiedenen Apps, Social Media oder Reisewebseiten.

Durch die Pandemie-Zeit konnten sich Reisende über einen langen Zeitraum informieren, sich feste Inspirationen suchen, die ihren Interessen und Hobbys entsprechen. Deutschland bietet neben Natur und vielen Freizeitaktivitäten auch Kulturschätze und Erfindergeist: Bauhaus, Porzellanherstellung, Schlösser und Burgen oder auch eine andere Küche. Diese „Special Interest“ stehen hoch im Kurs.

Richtiges Angebot für die passende Zielgruppe

Viele Reiseziele und Reiseunternehmen können durch die Rückkehr des chinesischen Tourismus ein exponentielles Wachstum erfahren. Die Chancen werden sich aber nur realisieren, wenn das richtige Produkt für die richtigen Marktsegmente angeboten wird – und die chinesischen Touristen auch erreicht. Werbung für die deutschen Destinationen und Anbieter können nicht nur über die klassischen Kanäle erfolgen. Gerade jüngere Zielpersonen sind mobil auf chinesischen Nachrichten- und Unterhaltungsapps aktiv, folgen aber auch Reisebloggern und Influencern, die einen großen Einfluss auf Reiseentscheidungen haben.

Mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist China nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern auch ein Land mit wachsendem Wohlstand. Chinesen reisen gern – und geben dafür auch viel Geld aus. Mit rund 255 Milliarden US-Dollar gaben Reisende aus China 2019 mit Abstand das meiste Geld innerhalb des internationalen Tourismus aus. So toppten sie mit ihren Ausgaben sogar die russischen Reisenden, was sie zu den begehrtesten Touristen in Deutschland machte.

Wie groß ist die Anzahl der Chinesen, die sich aktuell für Deutschland interessieren? Selbst wenn sich nur 0,2 Prozent für deutsche Geschichte, Kultur und Natur begeistern, sei das immer noch eine ausreichend große Zielgruppe, sagt etwa Wolfgang Arlt, Geschäftsführer des COTRI China Outbound Tourism Research Institute.

Originalartikel in China Insights - Peter Tichauer

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Theresa Stewart

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